Ein Gespräch mit Stein-Erik – Erfinder der wasserlosen Toilette, Besitzer eines Weltpatents, Chef eines Pubs und Gründer der nördlichsten Whisky-Destillerie der Welt.
Er ist ein Wirtschaftsmotor, der besser läuft als jeder Volvo: Der Mann hat selbstlos wie kein anderer für das Wohl seines Dorfes Lyngseidet (Lyngen) gesorgt. Seinetwegen bietet der Tiroler Bergführer Paul Held Skitouren-Reisen nach Norwegen an. Ich treffe Stein-Erik abends nach einer Skitour im Büro seines Pubs.
Skitouren, Nordlichter und Fischen
Stein-Erik trägt eine Jeans, einen grauen Pullover und eine schwarze Brille, als er aus seinem Auto steigt. Es schneit. „Ich komme gerade vom Flughafen Tromsö, wo ich eine Schweizer Gruppe abgeholt habe. Sie reisen schon seit vielen Jahren für ihre Skitouren hierher“, erzählt er mit sanfter Stimme. Seine rote Daunenjacke hängt er über den schwarzen Ledersessel. Wir setzen uns an seinen Schreibtisch. Bis Mitte Mai zieht es Skitouren-Geher nach Lyngseidet nahe dem Polarkreis, bis Ende September Fischer. Wandern ist im Sommer ohnehin beliebt, aber ein Magnet mit schier unendlicher Anziehungskraft sind die Nordlichter des Winters. Die Gegend um Tromsö haben viele für sich entdeckt, überlaufen ist hier dennoch nichts. „Leider habe ich selbst zu wenig Zeit für alles, was uns Lyngseidet bietet“, verrät mir Stein-Erik. „Aber manchmal gehe ich mit meinen Gästen fischen. Hast du heute etwas gefangen?“, fragt er mich. Ich zeige ihm die Bilder unseres Fangs. „Dorsch? Gratuliere!“, freut er sich. Nach unserer Skitour waren wir mit dem Boot knapp 2 Stunden am Fjord. Fürs Abendessen hat´s gereicht.
Zivilisiert norwegisch
Die besten Fischer kommen aus Holland, die besten Skifahrer aus der Schweiz und aus Österreich, ist sich Stein-Erik sicher, der Gäste aus allen Ländern mag. „Nur die Engländer und Russen sind ein wenig laut und brauchen daher sehr viel Raum“, schmunzelt er. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen: „So wie die Norweger in Österreich, die das Wunderland des billigen Alkohols auskosten?“ Stein-Erik muss lachen: „Es sind bestimmt nicht alle so!“ Er hat wohl Recht. Ich erlebe die Norweger in ihrer Heimat als zivilisiertes, offenes und freundliches Volk. Sie halten sich an strenge Verkehrsregeln, sprechen auffallend gut Englisch und sind an Besuchern ihres Landes interessiert. Stein-Erik stimmt mir zu und ergänzt: „Wir zählen zu den sichersten und friedlichsten Staaten, mittlerweile sind wir die glücklichste Nation der Welt.“
Für uns Österreicher ist Skandinavien, also Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland, alles eines mit lediglich unterschiedlichen Nuancen. Ich frage Stein-Erik daher, was die Nachbarn Schweden und Norwegen verbindet oder trennt? „Die Sprache eint uns, nennen wir es einen Dialekt. Uns gegenüber waren die Schweden immer ein wenig hochnäsig, weil wir arm waren.“ 1978 haben die Norweger jedoch Öl gefunden und sind in dickflüssigen Reichtum eingetaucht. Aus der hohen Nase wurde Neid.
Immer, wenn es dunkel wird, oder ewig hell bleibt
Stellt euch vor, entweder ist es immer dunkel und ihr seid müde, oder es ist stets hell und ihr könnt nicht schlafen. Zwischen 20. Mai und 22. Juli lacht die Sonne um Tromsö 24 Stunden vom Himmel. Es ist Mitternacht, die Sonne scheint, der Körper glaubt, es ist Nachmittag. Vor dem Pup in Lyngseidet leeren die letzten ihr Bier. Nur 4 Monate später, von 20. November bis 22. Jänner, versteckt sich die Sonne mürrisch hinterm Horizont: Einheimische stehen auf, gehen im Dunklen zur Arbeit. In der Mittagspause ist es finster, beim Schlafengehen stockdunkel. Gut mit Laternen beleuchtet sind Straßen und Plätze, die bunten Nordlichter spenden auch ein wenig Licht. Das war´s aber schon mit dem Sonnen-Ersatz.
„Dunkle Winter und helle Sommer sind für uns normal. Sie gehören zum Leben im Norden“, erklärt Stein-Erik. „Die Norweger aus dem Süden sind in den Polarnächten jedoch dauernd müde.“ Sicher belastet ewige Dunkelheit Mensch und Tier, sie bringt jedoch auch Vorteile, z.B. für die Berufsfischer: Sie sind permanent draußen, weil nachts weniger Wind bläst – es ist andauernd Nacht. Und im Sommer? „Da schlafen wir kaum und sind kreativ aufgeweckt.“ Plötzlich geht die Tür auf. Paul Held kommt herein. Er hört Stein-Eriks Worte, steigt sofort ins Thema ein und kommentiert augenzwinkernd: „Das ganze Dorf ist im Sommer manisch überdreht und im Winter lethargisch untätig. Ein wenig verschmitzt sagt er zu Stein-Erik: „Ihr seid sogar jetzt noch im Winterschlaf.“ Paul hat Recht. Er und ich waren heute nämlich, es ist März, bei den lokalen Versorgern, um Lamm und Fisch zu kaufen: Wir läuten an einer Tür, es braucht ewig, bis ein gewisser Ölstein öffnet, erst nur einen Spalt, dann ganz. Den verschlafen dreinschauenden Mann fragen wir, ob er noch Lamm hat. Es folgt eine lange Pause, er fährt sich irritiert durchs Haar und antwortet zögerlich: „Jååå….!“ Ähnlich obskur war´s beim Fischverkäufer: Dieser hat Paul und mich in 8(!) Kühltruhen schauen lassen und uns aus der letzten zwei Stück Lachsfilet mitgegeben, die er uns in den ersten 7 Truhen nur gezeigt hat. Ich schmunzle in mich hinein, als ich unsere bis jetzt undurchsichtigen Erlebnisse einordnen kann: Die Einheimischen schälen sich noch immer aus ihrem Winterschlaf.
Paul bespricht noch etwas mit Stein-Erik und geht wieder. „Bis später, Vil“, grinst er, als er die Tür schließt. Nur, damit ich es gesagt habe: Im März zur Tages- und Nachtgleiche, wenn Paul seine Skitouren anbietet, sind Tag und Nacht gleich lang, also ideal Bedingungen.
Alles nur für Lyngseidet
Stein-Erik wirkt auf mich angenehm unaufdringlich. Er macht sich nicht groß, schwelgt nicht in Erfolgen, antwortet kurz und knapp. Seine Worte klingen liebevoll und wertschätzend. Ich höre ihm sehr gerne zu. Paul hat mir jedoch vor meinem Gespräch so einiges geflüstert: Vor mir sitzt ein ganz Großer, ein Innovationsgeist, Erfinder und Gestalter. Erst als ich ihn darauf anspreche, rückt Stein-Erik damit heraus: „Ok. Ich bin der Erfinder von wasserlosen Toiletten, habe ein Weltpatent zur Salzgewinnung aus Meerwasser verkauft und das einzige Pub im Dorf ist meines“, erzählt er nüchtern. Ein wenig Stolz höre ich schon mitschwingen, der steht ihm auch zu. Ob er sonst noch einen Elch im Sack hat, will ich wissen? „Ja“, lacht er. „Die nördlichste Whisky-Destillerie der Welt gleich ums Eck ist die Idee von mir und drei Freunden.“ Der Mund steht mir weit offen. In der Brennerei „Bivrost Auroa Spirit“ entstehen arktischer Whisky, Gin und Aquavit. „Bivrost“ bedeutet Nordlicht, das in der nordischen Mythologie die Brücke zwischen Himmel und Erde darstellt.“ Jemand, der sich so gewissenhaft edlen Spirituosen widmet, müsste eigentlich auch Liebhaber sein. Falsch! „Ich mag Whisky nicht!“, betont Stein-Erik. „Wir haben darauf gesetzt, weil die Nachfrage steigt.“ So pragmatisch ist er. Die Norweger sind bekannt für Wodka und Aquavit; Whisky und Gin sind die logische Folge daraus. Alle 4 Destillate werden aus Getreide gebrannt: Whisky wird mindestens 3 Jahre in Holzfässern gelagert. Wodka entsteht durch besonders genaue Destillationsverfahren. Aquavit wird nach dem Brennen mit Kümmel, Dillsamen, Koriander usw. versetzt; Gin mit Wacholder, Zitrone und allem, was gefällt. Skåll!
Aber wie in Thors Namen kam der erfolgreiche Unternehmer auf die Idee, zwei Lodges direkt am Meer zu bauen und ausgerechnet hier Skitourentourismus zu etablieren? Stein-Erik: „Ich wollte mehr machen, als nur Toiletten herzustellen.“ Die zwei Häuser direkt am Meer hat er ursprünglich für Fischer im Sommer gebaut, um sein Dorf zu beleben. Früher war es hier nämlich noch ruhiger als heute. Im Jahr 2009 ist Paul plötzlich vor seiner Tür gestanden. Er brauchte ein Quartier für seine Skitouren. Stein-Erik freute sich über Gäste im Winter. Seither sind sie ein Team: Ihnen ist es also zu verdanken, dass das stille Örtchen Lyngseidet, ein beliebtes Ziel für Skitouren-Freunde geworden ist. Und was denkt Herr Stein-Erik über Herrn Paul? „Paul ist unkompliziert, er hält sein Wort und es macht Spaß, mit ihm zu arbeiten.“ Ich sage euch: Es macht auch Spaß, mit ihm Skitouren zu gehen.
Heute ist Lyngseidet sogar ein beliebter Ort für Konferenzen: Firmen in Norwegen suchen Ruhe, Menschen auch. „Hast du hier oben jemals ein Flugzeug gehört?“ Ich schüttle den Kopf. „Vielleicht einen Helikopter.“ Ich zucke mit den Schultern. „Das Leben ist oftmals viel zu hektisch“, mahnt Stein-Erik. Hier oben finden wir salbungsvolle Stille. Ob jener Mann, der zwar Ruhe schenkt und ein umtriebiger Wirtschaftsmotor für ein Dorf ist, selbst irgendwann zu Bett geht? „Ich schlafe an Sonntagen“, scherzt er. Von Selbstinszenierung scheint der Mann vor mir nicht getrieben, dafür ist er zu bescheiden. Wir schweigen gemeinsam, ich mustere ihn interessiert. Bei so viel Aufmerksamkeit blickt er verlegen zu Boden und versucht, sein Lächeln zu verbergen. „Kann es sein, dass du mit allem, was du tust, etwas Gutes für die Region machen willst?“, frage ich ihn. Stein-Erik schaut mich an. Er hebt seine linke Augenbraue, neigt den Kopf zur Seite und atmet durch. „Ja, kann sein“, sagt er.
Full-Service-Skitouren
Norwegen und Skitouren passen besser zusammen, als Fische und ein Gläschen Weißwein, den es auch in Lyngseidet gibt. Ausgangspunkt für jede Skitour ist Stein-Eriks luxuriöse Lodge Sorheim Brygge, ein Pfahlbau direkt am Meer mit Sauna und einem Pub gleich ums Eck. Direkt vor der Lodge hält fast jeden Abend ein Schrimp-Kutter, der fangfrische Schätze aus dem Fjord liefert. Kitschiger und romantischer geht es kaum. Ihr müsst euch um nichts kümmern, außer um die Anreise und ums Equipment (Ski, Schuhe, LVS usw.), alles andere vor Ort organisiert Paul Held. Kondition für rd. 1.000 Hm Aufstieg sind recht praktisch, gut Skifahren solltet ihr können und Spitzkehren leicht schaffen.
Hier geht es zu den Terminen der Skitouren in Norwegen mit Paul Held. Im folgenden Artikel lest ihr mehr über die Skitouren in Lyngseidet (Lyngen). Und hier erfahrt ihr 10+2 Gründe für die Skituren in Norwegen.